Rückblick TalkTourism #2: 

Touristische Arbeitswelten im Umbruch

Neue Perspektiven und Lösungsansätze entlang der Employee Journey

Welche Gestaltungsmöglichkeiten haben Beherbergungsbetriebe und touristische Leistungsträger? Was kann das Destinationsmanagement beitragen? Und welche Handlungsfelder gibt es für die Tourismuspolitik und Verbände?

Der TalkTourism ist eine Innovationsplattform zum Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen führenden Tourismusexpertinnen in Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz. In diesem Jahr diskutierten Hotelliers, Destinationsvertreter und tourismuspolitische Entscheider Fragestellungen zum Wandel der touristischen Arbeitswelten.

Touristische Arbeitswelten im Umbruch: 

Tourismusexpertinnen diskutierten was jetzt zu tun ist.

Eine Nachbetrachtung.

Von Isabell Decker, Moderation | Saint Elmo’s Tourismusmarketing

Gemeinsam mit den Tourismusberatern PROJECT M und Kohl > Partner konnte Saint Elmo’s Tourismusmarketing am 29. September 2022 im neuen House of Communications im Münchener Werksviertel zum zweiten TalkTourism rund 50 Tourismusfachleute und 150 digitale Zuhörerinnen aus Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz begrüßen. Gemeinsam mit führenden Tourismusexpertinnen ein bewegendes Thema und zugleich eine der größten Herausforderungen „Touristische Arbeitswelten im Umbruch“ diskutiert werden. 

Trotz permanenter Krisensituation, Imageschäden, veränderten Bedürfnissen, Festhalten an Traditionen und fehlendem Mut für Veränderung wurden Wege in die Zukunft der Employee Journey aufgezeigt.

Touristische Arbeitswelten im Umbruch war das Leitthema für fünf hochkarätige Impulsgeberinnen. Diese gaben Einblicke in ihre Betriebe und appellierten an die Tourismusbranche Mut zur Veränderung gewachsener Erfolgsrezepte in der touristischen Personalführung aufzubringen. Sie forderten Aufbruch und gemeinsame Initiativen zum Gewinnen, Begeistern und Binden von Mitarbeiterinnen im Tourismus.

Susanne Kraus-Winkler, Tourismus-Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, eröffnete die Veranstaltung mit begrüßenden aber zugleich auch appellierenden Worten: „Der touristische Arbeitsmarkt wurde auf den Kopf gestellt. Trotzdem dass in diesem Jahr mehr Mitarbeiterinnen in der Tourismuswirtschaft im Vergleich zu 2019 beschäftigt sind, verzeichnen wir mehr offene Stellen als Arbeitslosgemeldete im Tourismus.“ Sie verspricht, dass auch in den zuständigen Ministerien und politischen Gremien aktiv und mutig an Lösungen für die Zukunft der touristischen Arbeitswelten gearbeitet wird. 

 

Innovationskraft in der Branche vorhanden. Wir müssen nachlegen.

Diese Aussagen von Kraus-Winkler werden auch von Jörg Dominik Walch, Senior Researcher des Instituts für Höhere Studien in Wien, im anschließenden Impuls auf Basis der Auswertung von Individualdaten aus dem Sozialversicherungssystem untermauert, aber auch Walch warnt zugleich vor der Zukunft und fordert die Zuhörerinnen auf: „Wir müssen der Realität ins Auge blicken. Wir stehen plötzlich noch vor viel größeren Herausforderungen: Inflation, Klimawandel und Energiekosten, die sowohl auf der Nachfrageseite als auch Produktionsseite ansetzen. Welche Maßnahmen wir umsetzen können und welche Maßnahmen helfen ist heute noch ungewiss. Aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass es eine gewisse Innovationskraft in der Tourismusbranche gibt.“ Auch Walch fordert die Branche auf: „Hier muss nachgelegt werden!“ und stellt die enorme regionale Bedeutung des Tourismus entlang der Wertschöpfungskette und für den Arbeitsmarkt dar.

 

Tourismus mit Mangel an Nachwuchskräften, Mitarbeiterinnen und Fachkräften in guter Gesellschaft

Erfolgsbeispiele der Branche zeigen, dass Betriebe mit Konsequenz, Durchhaltvermögen und dem richtigen Investment erfolgreich Herausforderungen überstehen und Krisen meistern können.

Dr. Anna-Maria Fässler, CEO & Owner des Sonnenalp Hotel & Resort in Ofterschwang und Christoph Bründl, Geschäftsführer von Bründl Sports geben Einblick in ihre Betriebe und Ihre Perspektive auf erfolgreiche Arbeit mit Mitarbeiterinnen.

Dr. Fässler konnte mit Ihrem Impuls und ihren Einblicken in das seit über 100 Jahren familiengeführte Hotel mit über 500 Mitabeiterinnen bestätigen, dass der konsequente Fokus auf ihre Mitarbeiterinnen, die Sonnenälpler, entscheidend zum Erfolg des Betriebs beitragen. Das Credo von Dr. Fässler „Nicht New Work, sondern Good Work!“, der menschlich, wertschätzende Umgang und das 3-Säulen-Konzept (Wohlfühloffensive, Wissensoffensive und Lohnoffensive) sind die Basis für die Arbeitgebermarke „echt sonnenälpler“ und deren konsequente Umsetzung.

 

Ur-Vertrauen und Resilienz sind gefordert. Mut, Überzeugung und richtige Energie als Chance.

Christoph Bründl, Geschäftsführer von Bründl Sports, spitzte noch einmal drastisch zu und appelliert an die Verantwortung der Führungskräfte: „Wir müssen jetzt resilient sein und einem Ur-Vertrauen, diese Zeit mit Mut, Überzeugung und der richtigen Energie als Chance sehen. Die Zeit für Durchschnitt und Mittelmäßigkeit ist vorbei, ganz entscheidend ist Exzellenz – beim Gast und auch im Hintergrund bei operativen Prozessen.“

Auch Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack, wissenschaftlicher Leiter PROJECT M und Leiter des Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes, verlangt Mut und Innovationskraft von der Branche: „Auch wenn sich die meisten Befragten (36%) unserer Panel-Befragung zum Thema Arbeits- und Fachkräftemangel eine Imagekampagne rund um das Thema „Arbeiten im Tourismus“ wünschen, um die Lage zu verbessern, halte ich das nicht für nachhaltig. Die Politik hat uns in den letzten Jahren gezeigt – Wir sind nicht systemrelevant. Ein paar nette Claims und schöne Bilder sind in diesem Kampf wenig erfolgsversprechend“.

 

Jede Herausforderung ist auch eine Chance zugleich.

Emanuel Dennis, General Manager Corporate & Employer Branding, schließt die Runde der Keynote-Speaker mit einem motivierenden Impuls ab und zeigt anschaulich Beispielen aus anderen Branchen. Bevor die Teilnehmerinnen in die moderierten Workshopsessions einsteigen konnten, fordert er noch einmal auf jede Herausforderung als Chance zu sehen, Mut zu haben und gerade in schwierigen Phasen zu investieren.

Auf Basis der Impulse wurden in moderierten Workshopsessions die drei Perspektiven Beherbergungsbetriebe und touristische Leistungsträger, Destinationsmanagement sowie Politik & Verbände die Rollen, Lösungsansätze und Handlungsmaßnahmen diskutiert.

 

Paradigmenwechsel, Umdenken und Konzeptveränderungen. Vor allem die Betriebe sind in der Verantwortung.

Die Expertinnen aus dem Bereich „Beherbergungsbetriebe & touristische Leistungsträger“, moderiert von Helmut List, Managing Partner bei Kohl > Partner Innsbruck, rufen dazu auf als Gastgeber und Touristiker wieder Selbstbewusstsein und Stolz für die Tourismusbranche und die Arbeit auszustrahlen. Trotz allen Herausforderungen unserer Zeit braucht es ein positives Mindset in der Branche. Statt verlorenem Stolz müssen wir wieder nach vorne schauen & die Vorzüge unserer Branche selbstbewusst nach außen tragen.

Die Expertinnen der Session sind sich sicher, dass die Zukunft auch weiterhin mit geringen personellen Ressourcen bestritten werden muss und dies nur mit Offenheit für (radikale) Konzeptveränderungen und neuartige Mitarbeiterinnen-Modellen gelingen kann. Darüber hinaus stellen sie Handlungsbedarf im Bereich der Führungskräfte und Unternehmerinnen fest. Diese müssen als nachhaltige Schlüssel zum Erfolg hinsichtlich ihrer Führungskompetenzen fit für die Zukunft und den erfolgreichen Umgang mit all ihren Herausforderungen gemacht werden.

 

Wertschätzung der Mitarbeiterinnen über ihre Rolle im Unternehmen hinaus als Erfolgsfaktor.

Martin Schobert, Managing Partner bei Saint Elmo’s Tourismusmarketing, fasst die Ergebnisse der Expertinnen aus der Perspektive der Destinationen zusammen: „Wir müssen aufhören die Symptome zu bekämpfen, sondern die Ursachen angehen! Es geht um einen wertschätzenden Umgang mit Menschen, nicht um den Einsatz und die Planung von Ressourcen.“ Die Expertinnen der Session sehen das Schaffen von funktionalen Lösungen (Arbeitszeit, faire Bezahlung, Berücksichtigung der Lebensphasen, etc.) und einem angenehmen sozialen Umfeld als Aufgabe der DMO. Darüber hinaus sind sie sich einig: Mitarbeiterinnen aller Ebenen müssen befähigt werden sich in diesem Umfeld selbst zu organisieren.

 

Wir kommunizieren die falschen Botschaften nach außen.

Die Expertinnen aus Politik und Verbänden, moderiert von Cornelius Obier, Managing Partner bei PROJECT M, bringen die Lage auf den Punkt: „Wir haben uns das Narrativ in den letzten Jahren ruiniert! Wir haben keinen Mitarbeiterinnen-Mangel, sondern einen Bedarf. Wir kommunizieren einen Mangel und damit die falsche Botschaft nach außen.“ Die Expertinnen der Session sehen die Betriebe in der Zuständigkeit ein angenehmes Klima und Arbeitsplatz für Mitarbeiterinnen zu schaffen. Verbände müssen Betriebe, die offen für Veränderungen sind im Prozess unterstützen und begleiten, die Politik muss die Rahmenbedingungen entsprechend schaffen und die Attraktivität (Steuerentlastungen, Entschlackung Arbeitszeitgesetzt, Entbürokratisierung, etc.) fördern.

Beherbergungsbetriebe & touristische Leistungsträger

Helmut List, 
Kohl > Partner

Wir brauchen einen Mind-Change auf allen Ebenen, bei den Entscheidungsträgern und Stakeholdern, den Mitarbeiterinnen aber auch im gesellschaftlichen Kollektiv. Der Tourismus muss sich als Zukunftsbranche etablieren und das gesellschaftliche Ansehen wieder stärken.

Durch den demographischen Wandel, den Strukturen am Arbeitsmarkt sowie dem weiterhin steigenden Bedarf an Mitarbeitern im Qualitätstourismus wird sich die Situation auch langfristig nicht entspannen.

Die Betriebe müssen attraktiven Rahmenbedingungen mit Mitarbeiterinnen schaffen. Dazu gehören nicht nur Benefits und ein tolles Arbeitsklima, sondern auch unterschiedlichste Arbeitszeitmodelle, Flexibilität usw.

Destinationsmanagement

Reinhard Lanner, 
CTO Saint Elmo’s Tourismusmarketing

Arbeiten im Tourismus muss ein Lifestyle Job sein. Österreich zählt zu den besten Tourismusanbietern der Welt. Den Gästen können wir das gut kommunizieren. Gegenüber den Mitarbeiterinnen und Einheimischen ist hier noch viel Potenzial im Narrativ. Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein, darf die Akteure mit Stolz erfüllen.

DMOs können einen Beitrag leisten, damit es Mitarbeiterinnen leichter fällt, sich in das soziale Gefüge der Destination besser & schneller zu integrieren.

Anpassung der Prozesse und neue Kooperationen, Digitalisierung, Spezialisierung und neue Kooperationen bieten neue Chancen für die Unternehmen. Dazu müssen bestehende Prozesse analysiert & teilweise neue gebündelt werden. Die DMOs können hier eine koordinierende Rolle über die Destinations- und Landesgrenzen zu Themen wie Best Practise Prozesse, Rekrutierung von Mitarbeiterinnen, On- und Offboarding uva. einnehmen.

Impulse der Keynotes:

Jörg Dominik Walch

Senior Researcher am Institut für Höhere Studien, hält einen Impuls unterlegt mit 15 Kernaussagen zum touristischen Arbeitsmarkt in Österreich. Auf Basis von (pseudonymisierten) Individualdaten aus dem Sozialversicherungssystem stellt er die tagesgenaue Entwicklung der Beschäftigung dar. Er spricht über Herausforderungen wie saisonale Schwankungen sowie regionale Heterogenität und geht auf Herausforderungen im Kontext der Lehre ein.  

Frau Dr. Anna-Maria Fäßler

CEO & Owner der Sonnenalp Resorts, stellt den Teilnehmenden das Mitarbeitenden-Erfolgskonzept der Sonnenalp Resorts vor. Aufbauen auf den drei Säulen der Wohlfühl-, Wissens- und Lohn-Offensive schaffen es die Sonnenalp Resorts rund 500 Mitarbeitenden zu gewinnen, zu begeistern und langfristig zu binden. 

Christoph Bründl, 

Geschäftsführer von BRÜNDL Sports, hält einen inspirierenden Vortrag, wie wichtig die Grundhaltung und Stimmung in einem Betrieb für die Mitarbeitendenzufriedenheit ist. Faktoren wie Stress, Panik und Angst können durch die Ermittlung des Kernproblems in Chancen, Mut und positive Energie verwandelt werden. Er appelliert an die Branche: "Mittelmäßigkeit reicht heute nicht mehr aus. Wir brauchen Exzellenz in allen Bereichen um erfolgreich zu sein."

Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack, 

Leiter des Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes und wissenschaftlicher Leiter bei PROJECT M, stellt als Branchenexperte die Inhalte des Online Panels, durchgeführt vom Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes, zum Arbeits- und Fachkräftemangel vor und bewertet kritisch die Ergebnisse.

Emanuel Dennis, 

General Manager der Serviceplan Consulting Group, stellt als Experte Employer Branding als ein Schlüssel vom Erfolg vor. Er fordert die Branche auf mutig zu sein und gerade in dieser Zeit zu investieren. Dazu präsentiert er den Teilnehmer:innen spannende Einblicke aus anderen Branchen. 

Weitere Impulsgeber:

Tobias Woitendorf, 

Geschäftsführer Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern & Tourismusbeauftragter Mecklenburg-Vorpommern

Barbara Hochkönig, 

Projektmanagerin Employer Branding Tourismusverband Schladming Dachstein

Mathias Schattleitner, 

Geschäftsführung Tourismusverband Schladming Dachstein & Präsident BÖTM Bundesverband Österreichischer Tourismusmanager